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Ziele erreichen statt an Neujahresvorsätzen scheitern

Bald starten wir in ein neues Jahr – ach was schreibe ich; bald starten wir in ein neues Jahrzehnt. Ein Jahreswechsel wird oft zum Anlass genommen, sich neue Vorsätze zu fassen, was alles im Leben geändert werden soll.
Spreche ich mit Menschen in meinem Umfeld, so höre ich immer wieder, dass sie es aufgegeben haben Vorsätze zu fassen. Warum? Die Vorsätze halten nicht lange an und spätestens Mitte Februar sind sie vergessen – also warum sich die Mühe machen?
So frage ich mich: Warum funktioniert das mit den Neujahrsvorsätzen nicht so wirklich? Es liegt an der Formulierung, diese ist oftmals schwammig, ungenau, nicht durchdacht oder eher ein Massnahmenplan ohne Ziel.

Wenn die Neujahresvorsätze nicht funktionieren, her mit Zielen und der Erfolg stellt sich ein! Was ist der Unterschied zwischen einem Ziel und einem Neujahresvorsatz? Also muss ich nur den Vorsatz ‘ich werde abnehmen’ als Ziel betrachten und schon habe ich Erfolg? Nicht ganz – das Geheimnis liegt an der sauberen Formulierung von Zielen. Easy! Die SMART-Formel bei Zielformulierungen ist ja bestens bekannt – reicht das? Nein, nicht ganz. Die Formel hat sicherlich ihre Berechtigung im geschäftlichen Umfeld, doch für Lebensziele sind folgende sechs Aspekte gefragt.

Das Ziel ist positiv zu formulieren (hirngerecht)

Das Ziel darf keine Verneinung enthalten. Bekannterweise kann das Gehirn Wörter wie ‘Kein’ oder ‘Nicht’ nicht verarbeiten (Klassiker: denken sie nicht an einen blauen Elefanten). Also ist eine Zielsetzung wie – ich esse keine Schokolade mehr – kontraproduktiv, da die Gedanken dann immer bei der Schokolade sind. Der Fokus sollte auf dem liegen, was ich erreichen will. Besser in dem Falle: Früchte sind meine Süssigkeiten.

Das Ziel ist in der Gegenwart formuliert

Das Ziel ist so zu formulieren, wie wenn es bereits erreicht wäre. Also statt ‘ich werde meinen Keller entrümpeln’ die Formulierung ‘Mein Keller ist aufgeräumt und gereinigt’, verwenden.

Das Ziel ist konkret formuliert und eindeutig messbar

Mit meinem letzten Beispiel ‘Mein Keller ist aufgeräumt und gereinigt’ beginnen bei diesem Punkt die neuen Herausforderungen. Was heisst ‘aufgeräumt’? Was heisst ‘gereinigt’? Das muss vorher alles definiert sein, damit die Zielerreichung überprüft werden kann. Es ist nicht nötig, dass all diese Präzisierungen schriftlich festgehalten werden, doch die Definition muss formuliert werden und auch anderen Personen klar sein.
Die Messbarkeit kann sich zu einer Knacknuss entwickeln. Hier ist Fantasie gefragt. Wie kann ich zum Beispiel gesunde Ernährung messen? Gesundheit im Allgemeinen? Hier kann zum Beispiel der Fettanteil, der Blutdruck oder das Atemvolumen gemessen werden.
Wie sieht es aus, wenn mein Ziel lautet: ‘Ich gehe gut vorbereitet und selbstsicher an die Prüfung’? Die gute Vorbereitung muss hier erst einmal wieder genauer definiert werden. Die Herausforderung besteht zusätzlich in der Messbarkeit der Selbstsicherheit. Eine Option hierfür ist die Zuhilfenahme einer Skala von Punkten 0 – 10. Wie gross soll die Selbstsicherheit vor der Prüfung sein? Mit diesem Trick können Gefühle oder Wahrnehmungen in die Zielformulierung einfliessen.
Die Messbarkeit funktioniert, da dieselbe Person das Gefühl definiert. Es braucht dazu jedoch eine Portion Ehrlichkeit und Konsequenz gegenüber sich selbst, da die Ziele von aussen nicht überprüft werden können.

Das Ziel hat einen Endtermin

Das Ziel bekommt einen Endtermin und dann wird die Zielerreichung überprüft. So wird zum Beispiel aus dem Ziel: ‘Ich will abnehmen’ die Formulierung ‘Am 13. Juni 2020 wiege ich 85 kg’.
Folgende Zielformulierung funktioniert jedoch nicht. «Im neuen Jahr besuche ich zweimal wöchentlich das Fitnesscenter.» Das zweimal wöchentlich bezieht sich auf einen Prozess, ist jedoch kein Ziel, sondern eher ein Plan.
Als Dozent hatte ich mit Studierenden bereits schier endlose Diskussionen zu diesem Punkt. Ich will nicht von solchen Plänen abraten. Doch welches Ziel steckt hinter dem Plan? Keines – ich will einfach ins Fitnesscenter gehen. Passt. Ist ein Plan aber KEIN Ziel! Pläne können auch ohne Ziele verfolgt werden. Ich gehe ins Fitnesscenter, um gesund zu bleiben. Prima – das ist ein Plan.
Was ist der Unterschied zwischen einem ausformulierten Ziel und einem Plan? Bleiben wir beim Beispiel zweimal pro Woche ins Fitnesscenter zu gehen versus am 13. Juni 2020 wiege ich 85 kg. Beide Personen starten mit der jeweiligen Formulierung ins neue Jahr. Im Februar schlägt die Grippe zu und es wird eine Woche das Bett gehütet. Der Plan von zwei Fitnesscenterbesuchen ist bereits gescheitert, doch das Ziel ist immer noch erreichbar. Und genau darum geht es – Ziele zu erreichen, auch wenn der Plan dazu immer wieder überprüft und angepasst werden muss.

Das Ziel muss erreichbar und realistisch sein

Das Ziel soll eine angenehme Grösse haben. Ist es zu klein, ist es nicht attraktiv es zu verfolgen. Ist es jedoch zu gross, dann bin ich schon zu Beginn am Zweifeln und sehe eventuell nur den Berg.
Es soll das Endziel formuliert werden. Zum Beispiel ‘Im Oktober 2025 finishe ich den Marathon in New York’. (Anmerkung: Das Datum ist noch nicht genau bekannt, daher diese ‘ungenaue’ Formulierung). Nun können Teilziele definiert werden. Ich finishe am 15. Februar 2020 den 1 km-Lauf am Lozärner Cross.
Warum kann ich nicht erst mal ein Ziel nehmen, wie zum Beispiel ‘Am 8. August 2020 laufe ich 10 km unter einer Stunde’, und mir dann das nächste Ziel definieren? Weil die Chance gross ist, dass bei der Zielerreichung die Befriedigung so gross ist, dass man danach neue Ziele in anderen (Lebens)Bereichen setzt. Also das Ziel ist so zu wählen, dass es anschliessend okay ist, sich anderen Bereichen zu widmen.

Das Ziel muss unabhängig von anderen Personen sein

Wenn die Leserschaft bis hier immer noch Parallelen zur SMART-Zieldefinierung gefunden hat – hier endet der Vergleich! Das Ziel soll unabhängig von anderen Personen sein! Also ist das Bestehen einer Prüfung kein Ziel, weil hier andere Personen involviert sind. Gewinnen eines Rennens, eines Matchs, Lohnerhöhung, neue Arbeitsstelle, eine Familie gründen – nein, das sind (leider) alles keine Ziele. «Doch, das ist mein Ziel!», wahrscheinlich denkt es das gerade bei ihnen.
Ich mache hier einen Unterschied zwischen Ziel und Wunsch oder Traum. Die Aufzählung oben sind Wünsche. Ich wünsche mir, dass es Realität wird. Doch was ist mein Ziel? Oder anders gefragt – was trage ich zu diesem Wunsch bei?
Bei Roger Federer hört man manchmal in Sieger-Interviews Sätze wie: ‘Ich bin froh, habe ich das Spiel gewonnen, doch mit meinem Spiel bin ich nicht zufrieden. Ich habe meine Ziele nicht erreicht’. Hallo, Roger – aufwachen – du hast gewonnen! Wie kannst du so etwas sagen? Nun ja, wenn er jedoch zum Beispiel das Ziel hatte, beim zweiten Aufschlag über 50% ans Netz zu gehen, so ist es möglich, dass er dies nicht erreicht hat. Doch der Match ist trotzdem gewonnen.
Auf der anderen Seite kann er nach einem verlorenen Match antworten: ‘Ich habe meine Ziele heute zwar erreicht, doch der Gegner war stärker. Ich gratuliere ihm’.

Menschen, welche Ziele und Wünsche gleichsetzen, können oftmals enttäuscht werden, da sich die Wünsche nicht erfüllen, obwohl sie alles richtig gemacht haben. Doch sie denken dann – ich erreiche meine Ziele nicht! Wie demotivierend. Daher unterscheide ich strikt zwischen Zielen und Wünschen oder Träumen. Somit weiss ich, dass ich meine Ziele generell erreiche! Und manchmal erfüllen sich auch einige meiner Wünsche oder Träume.

Die Zeitspanne von Zielen

Am 1. Januar 2020 starten wir in das neue Jahrzehnt. Ideal um sich ein paar Ziele vorzunehmen. Diese können in unterschiedliche Zeitspannen eingeteilt werden:

Kurzfristige Ziele sind in 3 – 6 Monaten zu erreichen
Mittelfristige Ziele sind in 6 –12 Monaten zu erreichen
Langfristige Ziele sind in 3 – 5 Jahren zu erreichen

Kurzfristige Ziele müssen keinen Zusammenhang mit den mittel- oder langfristigen Zielen haben. Die einzelnen Ziele können aus verschiedenen Lebensbereichen oder Themen stammen.

Was will ich erreichen – oder die saubere Formulierung

Beim Formulieren von Zielen ist darauf zu achten, dass man sehr achtsam ist, wie man das Ziel formuliert. Ein Kollege von mir hatte sein Ziel wie folgt formuliert: Ich starte im Februar 2018 am Engadiner Skimarathon. Und tatsächlich, mit einigen tausend anderen startete er am besagten Datum in Maloja bei garstigem Wetter. Tja, und dann kam es, dass er vor Kilometer 30 aufgeben musste. Der Frust sass tief und mein Hinweis, dass er sein Ziel ja erreicht hatte, half da nicht viel. Ein besseres Ziel wäre gewesen: Ich bin Finisher vom Engadiner Skimarathon 2018. Und dann wäre der Frust auch erklärbar gewesen.

Oder jemand hat mir zugetragen, dass Wendy Holdener folgendes Ziel formulierte: Schneller sein als Mikaela Shiffrin. Tja ob sie dann an den Olympischen Spielen 2022 in Peking mit dem zweiten Platz zufrieden ist, wenn sie auf die drittplatzierte Mikaela schaut?

Darum investieren Sie Zeit in die korrekte und saubere Zielformulierung – es lohnt sich. Ich ahne bereits wieder aufkeimende Gedanke – ui, das ist ja nicht einfach. Stimmt, denn dass es einfach wird, hat niemand gesagt. Doch schwierig heisst nicht unmöglich!

Die Bonusfragen

Nebst der sauberen Zielformulierung habe ich drei Bonusfragen formuliert. Macht mich dieses Ziel zufriedener und glücklicher? Ist das Ziel attraktiv für mich? Somit wird nochmals Kontakt mit dem Ziel aufgenommen. Es wird überprüft, ob es mein Ziel ist und nicht eventuell ein Ziel von meinem Umfeld.
Schliesslich noch die Frage nach dem Aufwand: Ist mir der Preis für diese Ziel klar und will ich ihn bezahlen? Damit sind nicht nur die finanziellen Folgen gemeint. Welchen Zeitaufwand muss ich betreiben? Wie viel Energie benötigt es? Bei dieser Frage stelle ich manchmal fest, dass Personen dazu nicht bereit sind. Doch sie wagen es nicht, das Ziel zu ändern. Sie leben dann in einem Widerspruch zwischen dem Handeln und den Zielen. Und das macht dann keinen Spass.

Fazit

Mit dieser Zusammenstellung kann eine saubere Zielformulierung erarbeitet werden. Sind alle neun Fragen bejahend, sind die Chancen der Zielerreichung sehr hoch.

O Ist das Ziel konkret, klar und positiv formuliert?

O  Ist das Ziel in der Gegenwart formuliert?

O Weiss ich genau, woran ich erkenne, wenn ich das Ziel erreicht habe?

O  Ist das Ziel mit einem Termin versehen?

O  Ist das Ziel realistisch und erreichbar?

O  Ist die Erreichung des Ziels unabhängig von anderen Personen?

Bonusfragen

O Macht mich dieses Ziel zufriedener und glücklicher?

O Ist das Ziel wirklich attraktiv für mich?

O Ist mir der Preis für dieses Ziel klar und will ich ihn bezahlen?

Egal, ob Sie das Jahr 2020 mit oder ohne Ziele starten – ich wünsche Ihnen und Ihren Liebsten alles Liebe und Gute im neuen Jahr.
Happy 2020

Ihr Mentalcoa.ch

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